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INDEX NR03

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„Try walking in my shoes“ (Depeche Mode)

Zunächst wohnte sie bei der Mutter später beim Vater, allerdings nur am Wochenende und auch nicht an jedem. Das Internat ist ihr vorläufiges Zuhause. Geht ganz eigene Wege, mutige auch. Sie war allein in den USA und allein in Moskau. Inka ist heute eine der besten SchülerInnen in ihrer Klasse. Im Sommer hat sie aufgrund eines Spiegelartikels bei der deutschen Bank in Frankfurt ein Praktikum gemacht, sich eigenständig darum gekümmert. Kunst und Theater sind für sie wichtige Bereiche des Selbstausdrucks. Inka ist bei aller Vergangenheit ein zukunftsgerichteter Mensch. Sie hat noch viel vor.

Inka ist 19 Jahre alt und geht aufs Schlossgymnasium in Künzelsau. Sie war in der Grundschule eine mehr als schlechte Schülerin, fühlte sich oftmals verlacht, wiederholte die vierte Klasse. Später trennten sich die Eltern.

Sorry, aber hey, hey, keine Moralpredigt. Keine Lebensanweisung. Für mich genauso „Last resort“ wie Papa Roach es stellvertretend für viele junge Geister in die Welt der Weisen schreien würde. Jungs mit schwarz lackierten Fingernägeln und tätowierten Waden. Mädchen mit „Leck mich!“ auf den Lippen. Absage an die Erwachsenenwelt. Den Weg selbst finden müssen, ‚cause I‘m losing my sign, losing my mind, wish somebody would tell me advice‘, oder ‚ nothing‘s all right, nothing is fine‘. Sind wir intelligenter als unsere Eltern? Warum durchschauen wir? Warum bleibt es nicht vor uns verborgen? Techno, Piercing, No Doubt: „ I‘m just a girl“, Nirvana: „Here we are now, entertain us!“, Loveparade: „One World one Future“, Farbe: Pink. Irgendwo auch noch Realität, lügende Politiker, Aufbau Ost, Fischer und Bush, BSE, AIDS, Pille, Krebs und Ozonschicht, irgendwo Krieg. Verstümmelte Leichen an Orten ohne Namen, um 20 Uhr Unterbrechung für Big Brother. Gelegentlich irgendwo wir, oder die, die wir sind. Warum ich hier zu Wort kommen soll? Weil ich viel zu sagen habe! Wie viele andere. Wichtiges. Klartext. Heute hier, gekommen von ganz woanders her. Mein Name? Inka. Alter: 19 Jahre, Gymnasium, 12.2., Künzelsau. Tempora moris, Zeit vergeht, warum sagt‘s eigentlich keiner? Sprich Papa R.: Broken home. On and on. I know my mother loves me, but there‘s my father. If I‘m sad and angry, you were never ever there. I hope, you regret what you did.“ Oh Gott, ein gestörtes Scheidungskind. Geschichte, eine von vielen. Short stories. „Stories?“, frag‘ ich, wer blickts hier eigentlich nicht? Lügen, Schlagen manchmal, Tränen. Zu viel gefragt. Wer entscheidet hier eigentlich über Gut und Böse? Wer spielt hier eigentlich Gott? Ist es denn nicht wichtig? Lieber Gott, woher bekomme ich das alles zurück? Das war doch mal ich. Verstehen, mit der Zeit. Besen. Borsten, schwarz und umgebogen, zu lange gestanden. Feuer. Allein. Arme und Beine zerschneiden. In der Pause. Zwischen Morgen- und Mittagsschule, Jimmy Hendrix hilft. Schnitte zählen. Wundsalbe und irgendwann: zum Glück Narben keine. In der Grundschule Dialekt im Diktat, 40 Fehler, x- Mal umziehen, von Land in Stadt, dummes Kind, Asyl Natur. Aber nur so lange wie Kind. Stromer. Geht nicht verloren. Psychologische Hausaufgabenbetreuung im Landratsamt. Vierte Klasse wiederholen, in der sechsten plötzlich Wandlung. Mutter scherzt: „Kind pflegeleicht.“ Sarkasten sind bedauernswerte Menschen. Später Bestätigung, dass es zwischen Mutter und Tochter keine Beziehung gegeben haben kann. Farbe: gelb, Ekel. Plötzlich eine der Klassenbesten, sechste, siebte, achte, neunte, Klasse. Seltsam? Wirklichkeit. Teenage riot. Sanft. Kein Geld dazu. Nur in meinem Kopf. Nicht. Hilferuf an Jugendamt. Selbst. Die Jugendbeauftragte bei uns zu Hause. Plötzlich Heile Welt. Jüngere Schwester, Mutter, deren Freund. Nicht mehr fähig, irgendwas zu sagen. Wer die Wahrheit sagt, lügt. Beurteilung: Lappalie. Fühle mich asozial. Folge: in mir nichts mehr ganz. Jugendamt will nicht zahlen. Soziale Wohngruppe besichtigt. Asche auf dem Küchenboden. Nichtraucherin. Mit 16 zum Vater und seiner neuen Familie. Wir kennen uns vom Wochenende. Wir kennen uns nicht. Oma springt ein. Weihnachten und Ferien. Asyl. Danke. Gericht. Sorgerechtsumschreibung. Unterhaltszahlung. Tout dèjà vu. Außer meinen Kleidern und meinem Schreibtisch nehme ich nichts mit. Besitze nicht mehr. Keine Hilfe, vier Kartons. Als die Garagentür das letzte Mal ins Schloss fällt, Mutter verlassen. Nach einem halben Jahr Schule in Künzelsau. Zu Hause selten. Nicht willkommen. Schulalltag Asyl. Introvertismus und Theater AG. Arthur Schnitzlers „ Der grüne Kakadu“. Rolle: Georgette. Sage, was ich sehe. Ausgeschlossen nicht zu 100 Prozent. Anders? / „ Am I different, or am I only saying I‘m different?“ - „ American High“, USA, Sommer 2000. Seit 12.1. Zweizimmerwohnung mit Vater, 130 Kilometer von Künzelsau. Nur alle 14 Tage zu Hause. Wir kennen uns nicht. Wir verstehen einander nicht, sprechen unterschiedliche Sprachen. Lebe in zwei Welten. Will seine Sprache nicht sprechen. Stolz. Nicht länger wie Sommer 2002 gebe ich uns. Große Flatter. Weiß, was ich will. Stromer. Von irgendwo ganz anders. Nicht so - nicht hier jetzt. Ich kann sagen, ich habe viel gelernt. Habe mich gezwungen zu verstehen. Heute weiß ich, dass es gut war. Die Brücken hinter mir sind abgebrochen. Immer noch. In meinem Kopf. Ich glaube, dass ich stark bin und ich glaube, dass ich stark sein will. Früher eher intuitiv. Jetzt neu. Die Augen endlich aufgeschlagen. Endlich sehen. Ich entscheide, was wichtig ist. Weg, der notwendig ist. Alles. Kraft. Vielleicht wieder Liebe? Irgendwann. Wer? Keine Jasagerin und keine Antworterin. Nach Wolfgang Borchert, Draußen vor der Tür. Sommer 2000 in den USA. Weihnachten und Silvester in Moskau. Rucksack, Zug, Ticket, Gin Tonic Water 9 Vol.%. Alleine. Drei Minuten vor 24.00 Uhr, Putin auf der big screen auf dem Roten Platz. Weiß, rot, blaue Flagge 40 Meter vor mir. Geschwenkt. Menschenmenge. Gegröle.

Ich möchte noch viel sehen. Ich will viel wissen. Viel machen. Weiß genau was. Stromer von früher. Lasse mich nicht einsperren. Bin keine Jasagerin. Ich will. Noch. Wieder. Ich höre nicht auf. Inka von Olnhausen

 

 
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